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Historische Heimatlandgeschichten


Die Salzburger Flüchtlinge auf dem Weg nach Preußen

Eine einzige Familie half den Flüchtlingen Video mit historischer Geschichte
 
(von Nadja Laue)



Als in Deutschland die Reformation durch Luther mehr und mehr Zulauf bekam, schwappte dieser Glauben bis nach Österreich und in die Schweiz über.   Doch die erzkonservativen Katholischen Lande wollten keine Reformatorische Welle bei sich dulden.

Sie wollten beim papstverliebten Glauben bleiben. - Doch im Untergrund, im Geheimen, gab es Menschen, die sich Luthers Lehren anschlossen und nach seinem neuen Leitfaden predigten.

Während auf deutschem Boden der Bauernkrieg (1525-26) und danach der Dreißigjährige Krieg (1618-48) wütete, wuchsen die geheimen Gemeinden an.
Und endlich wurde 1731 von den Salzburgern (auf die wir hier nun mal genauer schauen wollen) ein Treueschwur abverlangt.

Am 5. August 1731 kam es zum Treueschwur der evangelischen Salzburger. Doch der hatte zur Folge, dass die Evangelischen Salzburger nicht mehr in ihrem Land bleiben durften.
Man wollte keine Spaltung der Kirche.   So bildeten sich große Gruppen und am Ende verließen 20.000 Salzburger ihre Heimat.   Eine Gnade wurde ihnen zu Teil. Sie durften ihr Land mit ihrer Habe verlassen, Frau und Kinder mitnehmen, ebenso ihr Vieh und alle beweglichen Dinge.   Im Spätherbst 1731 und Winter 1732 wurden die ersten etwa 5.000 Mägde und Knechte dem Land verwiesen. Teilweise hat man sie ohne Vorwarnung gefangen genommen und erst an den Landesgrenzen wieder frei gelassen. | Doch wohin sollten die ganzen Leute? 20.000 Menschen wollten versorgt und genährt werden, wollten wohnen und arbeiten. | Wo hätte man sie also ansiedeln können?

Eigentlich gab es nur ein Land, welches sie damals gern aufnahm: Preußen.

Preußen war damals noch im Aufbau begriffen. - Berlin war noch eine kleinere Stadt mit kaum mehr als 5.000 Einwohnern.
Hier sollte eine große Metropole entstehen.   Doch ohne Bürger, ohne Menschen, die Steuern und Arbeitskraft in das Land brachten, war das kaum möglich.
Friedrich Wilhelm I. stellte am 2. Februar 1732 das Preußische Einladungspatent für die Salzburger aus.
Dem Ruf Preußens folgten die Menschen in Heerscharen.   Gleichsam gingen einige Salzburger in die Niederlande oder siedelten nach Amerika über. | Doch uns interessiere mal die große Bewegung nach Brandenburg und Preußen. | Heute würde man einfach ins Flugzeug oder in den Zug einsteigen.
Damals hatten die Menschen nicht die Möglichkeit dazu.
Es gab nur die eigenen Füße, oder die des Lastenzugtieres. Immerhin mussten die Menschen 640 km zurücklegen und das mit einem riesigen Tross von Alten, Frauen und Kindern.
Die Nahrungsmittel waren knapp und man war auf die Milde der Menschen des Landes angewiesen, durch das man zog.

Um in dem Zeitrahmen anzukommen, den der preußische König vorgab, musste man täglich 25 km Wegstrecke schaffen. Eine Herausforderung an alle Beteiligten. Mancherorts nahm man sich er Flüchtlinge an. Anderenorts mussten sie von den Bäumen der Straße stehlen, um etwas zu Essen zu haben. Geld und Schmuck waren bald verkauft und der Erlös verspeist. Hunger und Kälte taten ihr Übriges. - In Leipzig zum Beispiel wurden sie gern aufgenommen, auch Halle sorgte für sie. | Im Protestantischen Land war das nicht selten. - Die Nachricht über die Verstoßenen reiste zwei Tage vorm Tross her. Die Orte, die sie durchquerten, waren auf die Menschen vorbereitet. - Auch Weißenfels war ein Streckenpunkt auf dem Weg gen Norden. -
Dem Rat der Stadt war schon zwei Tage vor der Ankunft berichtet worden, dass die Salzburger kämen.

Eiligst wurde durch die Ältesten der Stadt beraten, wie man mit den Menschen umgehen solle und was aus den Stadtscheunen hergegeben werden könne.

Nach einer Weile war der Entschluss getroffen, NICHTS herzugeben. Man könne ja nicht alle Menschen nähren.   Dem Tross wurde jedoch gestattete, die Stadt zu durchqueren, so dass man die Stadt nicht umgehen musste.
Der Zug kam von Naumburg her. In Naumburg hatte man auf der Vogelwiese kampiert. | Hinter der Stadt Weißenfels (etwa Höhe Töpferdamm) war ein freier Platz, welcher der nächste Platz zur Übernachtung der Flüchtlinge werden sollte.   Damals war Weißenfels noch nicht so groß. Die kleinen Vororte, die heute zu Stadt gehören, nannte man wilde Gemarkungen.

In einer dieser Gemarkungen wohnte die Familie Tüchner. Sie waren Bauern, hatten einen Hof und zwei Äcker Land, die sie frei bewirtschafteten. | Der Hof muss im Bereich des heutigen Lassalleweges gestanden haben. | Auf dem Hof lebten der Bauer, seine Frau und 16 eigene Kinder. Dazu vier Fresser - anverwandte Kinder, die in der Stadt verhungert wären, die Großeltern (beide), sechs Mägde und drei Knechte. Es war ein großer Haushalt. Zu Essen gab es immer zu wenig. - Der Tross zog stundenlang durch die Stadt und bildete dann auf dem Freiplatz eine riesige Wagenburg. In dessen Mitte wurden Zelte und Planen aufgestellt. | Viele Feuer wärmten und spendeten Licht.

Die kargen Reste aus Naumburg wurden unter allen gerecht verteilt. - Tüchner war an diesem Tag in der Stadt gewesen. Er hatte dort einen neuen Pflug erstanden und war auf dem Heimweg. Er sah die Menschen, hörte sie sprechen und war berührt. Als er zu Hause ankam, erzählte er seiner Frau von den Flüchtlingen.   Sein Weib packte eine Kiepe mit dem frisch gebackenen Brot, Milch von der Kuh in einem Tonkrug und Käse, dazu frisch abgehangene Würste und eine Speckseite.   Das waren sie bereit zu geben. Sie wollten helfen in der Not. Mit den Kindern machte sich die Tüchnerin auf den Weg zum Tross. Doch schon als sie das Licht der vielen Feuer sah, erkannte sie, dass das mitgebrachte bei weitem nicht reichen würde. Also schickte sie den ältesten Sohn wieder Heim. - Vater und Sohn öffneten die Scheune und packten Korn und Mehl, Kohl und Kartoffeln auf den Wagen. - Die Knechte fingen die Hühner vom Hof und packten sie in Hühnerkörbe.

Die Mägde holten aus dem Garten, was reif und essbar war. Sie leerten die Speisekammer und den Rauchfang. Selbst der süße Brei vom Ofen wurde eingepackt. Die Großväter packten den Pfeifentabak ein. - Der ganze Hof trug und fuhr alles zum Lager der Flüchtlinge.   Selbst ein Schwein brachten sie mit. Es wurde noch am selben Abend geschlachtet.

Sie gaben von Herzen, dass was die Stadtväter den Flüchtlingen verweigert hatten. Hernach hatten sie zu Hause nicht mal einen Kanten Brot.  

Als der Tross am nächsten Tag weiter zog, machte sich Tüchner auf den Weg in die Stadt.
Er berichtet, was er getan hatte und dass nun seine Familie den Hungers sterben müsse, wenn die Stadt ihm nicht helfe. | Beschämt gaben die Stadträte heraus, was er gegeben hatte. - Und mehr: Die Stadträte zahlten ihm den Gabensold.

Gabensold bedeutet: Wenn man mehr gegeben, als man verschmerzen kann, weil das Herz einem befiehlt, zu helfen, ohne dabei zu achten, ob man selbst dadurch vielleicht in Not gerät, so zahlt die Kirche den Gnadensold oder auch Gabensold. - Dies waren zwei Goldstücke. Doch das wollte Tüchner nicht. Er überlegte, was er mit dem Geld machen sollte.
Und sicher hätte man es daheim gebrauchen können.   Doch die Scheune war wieder voll. Hunger litten sie nicht, dank der Milde der Stadtherren. Also gab er es zurück. Allerdings nicht genauso blank. Nein! Er wollte ein wenig mahnen.   - Er stiftete der Klosterkirche in Fenster. Das Tüchnerfenster zeigte einen Mann, der die Gaben an einen anderen reicht, im Hintergrund ein Wagen und Pferd, davor weitere Menschen. | | Einige Wochen später kamen die Salzburger in Berlin an und blieben dort. Heute findet man noch immer Nachkommen der Salzburger bei uns und im brandenburgischen. Die Familiennamen geben ihre Herkunft an.   Darunter sind die Namen Brandstädter, Brindlinger, Degner, Höfert, Hohenegger, Höll, Holle, Höllensteiner, Höllgruber, Hölzel, Holzinger, Holzlehner, Holzmann, Hopfgärtner, Hörl, Hoyer, Hubensatter, Huber, Leidreiter, Meyhöfer, Milthaler, Moderegger, Niederländer, Pfundtner, Scharffetter, Schindelmeiser, Schweinberger, Sinnhuber, Steinbacher, Turner u. a.
Anmerkung meinerseits: Als ich das erste Mal die Beschreibung des Fensters las, dachte ich an die Geschichte Josephs, der in Ägypten seinen Brüdern durch den Hunger half. Der Name Tüchnerfenster wies jedoch den Weg zu den Salzburgern.



In einer der ersten Inventurlisten des Klosters aus dem Jahre 1596 ist das Fenster nicht aufgeführt. In der Abrissakte (Amt für Denkmalschutz) wird das Tüchnerfenster jedoch erwähnt. - Erwähnt wird auch, dass es abgebaut und sauber verpackt wurde. - Wohin dieses Kirchenfenster gekommen ist, ist nicht bekannt. Vielleicht ist es in einer Dorfkirche im Umland. Die Kirchenakten aus dem Jahr 1732 weisen die Begebenheit Tüchners und des Gabensoldes aus.

bijgewerkt door: Helen Pohl - 11.04.2023 - 11:46:32
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